Tuesday, October 03, 2006

Abschied von Fischerhude

Das besondere an Fischerhude ist für mich nicht, dass es ein Künstlerdorf ist, welches alljährlich viele Bildungsbürger anzieht. Das besondere ist auch nicht, dass hier jedes dritte Haus einen Therapeuten, Lehrer oder heimlichen Künstler beherbergt. Für mich ist das besondere an Fischerhude, dass man dort fast 15 Jahre wohnen kann, ohne dass man von Menschen gegrüßt wird, die man täglich sieht. Die Muffligkeit der Gasthausbesitzer insbesondere ist wirklich einmalig!
Als ich zuerst hier her zog, fiel es mir kaum auf, da ich die schnodderige Berliner Art über 18 Jahre gewohnt war und man sich in Großstädten ja ohnehin nicht grüßt.
Doch nachdem ich 13 Jahre hier wohnte und die Bäckereiverkäuferin immer noch nicht meinen Namen wußte, fiel mir schon auf, dass dieser Ort in der Beziehung etwas wirklich besonderes ist.
6 Jahre lang sang ich im kleinen Fischerhuder Chor. Dieser Chor setzte sich hauptsächlich aus Lehreren und anderen Menschen zusammen, die kulturell etwas auf sich hielten. Außerdem setzte sich der Chor aus vielen Dazugezogenen wie ich eine bin, zusammen. Meine Freundin M., die einzige hier im Ort( sie ist ein besonderer Mensch und paßt hier eigentlich nicht wirklich her, in ihrer Offenheit Fremden gegenüber), sagte, als ich mich nach drei Jahren verwundert fragte, ob sich vielleicht irgendwann eine private Einladung über den Chor ergeben würde, dass käme noch, ich müsse den Leuten Zeit geben. Es hat sich nie eine Einladung ergeben. Hier könnten vielleicht einige Menschen meinen, nun ja, es mag ja auch an ihr gelegen haben. Richtig, könnte auch an mir gelegen haben. Interessant ist nur, dass ich in Berlin einen sehr großen Bekanntenkreis hatte und eigentlich auch immer gerne eingeladen wurde. Immerhin grüssen mich die meisten noch. Das ist dann aber auch wirklich alles.
Eine weitere besondere typische Eigenheit der Fischerhuder ist, trifft man sich beim Einkaufen im Dorf, schnackt ein wenig über dies und das und es kommt ein weiterer Mensch hinzu, bricht das Gespräch mit dem ersten sofort ab und man wendet sich körperlich auch der anderen Person hinzu, mitten im Satz. Das habe ich nicht nur ein Mal, sondern häufig und mit jeweils wechselnden Gesprächspartnern erlebt. Vor allem von solchen Menschen, die sich auf Nachfrage sicherlich selbst als höflich bezeichnen würden. Ist eben eine Fischerhuder Eigenart! Wie gesagt, ich rede hier hauptsächlich von dazugezogenen Akademikern.
Die netteste Eingeborene ist mit Sicherheit meine ehemalige Vermieterin. Sie ist freundlich,herzlich, verbindlich, zugewandt und hilfsbereit. Eine reizende über 70jährige alte Dame. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dieser Ort sie hervorgebracht hat.

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