Sunday, August 27, 2006

Teil III

Vor meinen müden blickenden Augen entblättert sich der Apfelbaum vorm Fenster. Dieser aufregende Striptease der Natur wird vom gierigen Nort-Oster unterstützt. Er zehrt und zottelt und will es einfach nicht abwarten, bis der Baum sein diesjähriges Kleid von allein ablegt. Neckisch lässt der Baum zwei einsame Äpfel weiter baumeln, ohne sie je fallen zu lassen, dem Wind zum Trotze. Sie sind leuchtend rot und sehen aus, wie das Urbild eines Apfels überhaupt. Was der Baum sich wohl dabei denkt, zwei seiner Kinder einfach nicht entlassen zu wollen? Oder sind es gar die Äpfel selber die einfach nicht loslassen können, noch nicht sterben wollen, möglicherweise Höhenangst haben, sie hängen weit oben, und sich lieber nicht der Erde anvertruen möchten? Jedenfalls machen mich ihre unablässigen Pendelbewegungen noch müder. Ich muss woanders hinschauen.
Ach ja, das Pferd Es ist eine „sie“ und wird des weiteren auch mit diesem Geschlechtstitel beschrieben! Sie hat eine Freundin gefunden. So eine Zottelige mit einer blonden Mähne. Sie stehen häufig zusammen und knabbern sich gegenseitig am Hals. Manchmal tratschen sie ganz offensichtlich über die anderen Pferde. Dann stehen sie Kopf an Kopf, flüstern sich gegenseitig etwas ins Ohr, schauen sich um und eine von ihnen schüttelt dann gelegentlich, wie missbilligend den Kop. Was sie sich wohl erzählen?…

Spitze Klarinettentöne wehen mir durch die zugige Tür ins Ohr. S., mein Nachbar, scheint heute einen schlechten Tag zu haben Er nimmt die Tonleiter im Galopp rauf und runter, kiekst gelegentlich und hört sich überhaupt so an als würde er eigentlich lieber etwas anderes machen als Klarinette üben. Zum Beispiel mit dem Kopf gegen die Wand rennen… Mir ist glücklicher Weise nicht so. Ich erinnere mich innerlich schaudernd noch daran, wie Christel Blockflöte im Zimmer nebenan in der Fidicinstraße lernte. Das war viel, viel schlimmer, vor allem höher! Oder Wie Karin R., Bagwhan hab sie selig, wochenlang das Stück „Madness“ auf meinem Plattenspieler leierte. Daneben erscheint mir S.s’ liebloses Klarinetten Geübe wie sanfte Harfenmusik.

Neulich ging ich ‚rüber in der Hoffnung, mir bei ihm einen Suppenwürfel leihen zu können und er erzählte mir angelegentlich von seinem Mäuseproblem, mit der einleitenden Frage; Ob ich sie auch hören würde, die Mäuse? Und tatsächlich, auch ich höre sie. Sie toben nämlich in Liebe oder Krieg, wer kann das schon so genau wissen, wie die Wilden, zwischen unserer Trennwand herum.

Diese Wand grenzt an mein Schlafzimmer. So weiß ich immer was gerade läuft, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich höre ob Stefan Besuch hat, telefoniert oder einfach nur den RTL-Porno sieht und natürlich höre ich auch die Mäuse. Sie husten zwar nicht, aber es hat einmal doch laut und vernehmlich mehrmals gequiekt.

Zurück zu S. Er berichtet des weiteren, er habe neulich eine bei sich im Zimmer gefunden und schickt hinterher, von mir nur halböhrig wahrngenommen, der Geruch mache ihm zu schaffen. Ich gab ihm noch ein paar Mäuseexperten-Tips. Genug Erfahrung hatte ich ja in der letzten Wohnung gesammelt und bemerke im übrigen lakonisch, dass ich beim Renovieren extrem darauf geachtet hätte, jedes nur mögliche Schlupfloch nachhaltig zu stopfen.
Innerlich feixend und nur ein bisschen mitfühlend, habe ich mich dann verabschiedet mit den Worten: „Daran werden wir noch unsere Freude haben!“

Tage später, ich hatte lieben Besuch aus Berlin und war dabei einen meiner ledierten Freunde im Schlafzimmer zu massieren, steigt mir ein wahrlich unangenehmer Geruch in die Nase. „Meine Güte!“, denke ich, „Bin ich das? Oder ist es gar Erwin?“ Intensive Schnüffeleien entlang der Außenwand führten dann zu der Geruchsquelle. Beide meiner sich die Nase haltenden Freunde bestätigten mir, es sei eindeutig ein Verwesungsgeruch! ( Gott-sei-Dank, war es wirklich keiner von uns beiden!) Da ich nicht vermutete, dass jemand heimlich eine Leiche unter meinem Fußboden deponiert hat, lag der Verdacht einer verwesenden Maus sehr nahe.
Seit Tagen nun, lüfte ich ununterbrochen. Meine Duftlampe macht Überstunden aber nichts kommt wirklich gegen diesen penetranten Gerch an. Glücklicherweise war ich vier Tage lang verschnupft und konnte den Geruch nur erahnen. Doch seit meine Nase wieder funktioniert, weiß ich nicht mehr wohin mit ihr.
Christiane empfahl mir einen Anruf bei einem Kammerjäger. Doch was soll der schon ausrichten? Unter die Dielen lasse ich ihn nicht, dann kann ich ja gleich wieder renovieren! Heute nun des Rätsels Lösung: Frau F berichtet, Sohn H. habe Mäusegift gestreut. Nun ward mir alles klar!
Schon meine Berliner Freunde sprachen von der heilenden Atmosphäre meines Schlafzimmers.
( Nein, nein, nicht „Sexual Healing“!) Die vergifteten Mäuse erhofften sich wahrscheinlich Linderung in dieser wohltuenden Atmosphere und haben sich diesen Ort zum Sterben ausgesucht. Doch trotz der mir damit bewiesenen Ehre, wäre ich froh wenn sie woanders stürben. Bei H. zum Beispiel, diesem Grobian!

Mein Wintergarten
Mein Wintergarten ist mir eine helle Freude! Zumindest was den viel gelobten Ausblick angeht. Ansonsten lautet das Thema des Jahres: Die Fenster! Nicht nur habe ich mich beim Renovieren wochenlang beim Farbe abkratzen und streichen verlustiert. Was man natürlich so gar nicht wahrnimmt. Nein, jetzt im Herbst geht’s erst richtig los. Erstens, mussten alle verzogenen Leisten erneuert werden, Gardinen genäht, ( ich hasse nähen!), Gardinenstangen an, die alten Halterungen abgesägt und die Fugen abgedichtet werden. Es bleibt noch, Dichtungen in die Fensterfalzen zu kleben und Folie auf die Rahmen zu bringen. Dazu ein Hinweis meiner Kollegin Irene. „Mach doch einfach Plexiglas direkt auf die Rahmen!“
Guter Tip, denke ich, mach ich. Erstmal gewartet, bis ich wieder genug Geld hatte, mich dann mal wieder vermessen, glücklicherweise!, wie sich herausstellen wird.Hin zum Händler. Der verkauft so was wohl nicht oft. Der Schneidemechanismus war schon ganz rostig. Hätte mich eigentlich stutzig machen müssen. Vier Teile abmessen lassen. Tja, ich bin ne ganz Schlaue!
( Hab die oberen Fenster vergessen!), und ran an die Arbeit!
Pro Rahmen ca. 30 Löcher gebohrt und das Plexiglas direkt auf die Rahmen verschraubt, mit der Bohrmaschine, weil’s schneller geht, (leider auch tiefer rein!) So! ein Fenster fertig! Erstmal zurück treten und meine Arbeit bewundern! Ach du liebe Güte! Durch das Plastikzeugs hab ich eine Sicht, als wäre Schneesturm und Nebel zugleich. Außerdem fühlen sich meine Augen beim ‚rausgucken an, als hätte ich die Brille von jemand anderen, wesentlich kurzsichtigerem auf. Na gut, aber vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Erstmal noch die andere Seite. Wieder 30 Löcher, usw. Zwischendurch versucht die Spannung per Bügeleisen aus dem Plastik zu nehmen. Voller Erfolg! Keine Spannung mehr, zumindest nicht gleichmäßig. Dafür ungleichmäßige Wellen.

Doch danach, auch beim allergrößten Wohlwollen, es ging einfach nicht! Also, alles wieder zurück. Fazit: 60 Löcherin im Rahmen, 35,--Dm in den Sand gesetzt, plus einen Nachmittag. Nun gut, dieser Schaden ist nun wieder behoben. Diese Angaben so genau, übrigens, weil manche Städter mich fragen, was ich denn bloss auf dem Lande in meiner Freizeit mache!

Nun nehme ich doch die doofe aber bewährte Plastikfolie, von der namenhaften Firma „Tesa“. Leider muss ich beim ersten Kauf schon mehrere Jahrzehnte lang lagerndes Material erwischt haben, da die doppelseitige Klebefolie nur widerstrebend klebte. Außerdem ist dies eine Sch… Arbeit, da sie von mir wieder Millimeterarbeit erfordert und wir kreativen Gemüter geben uns nicht gerne mit solchen Details ab. Das hat wie immer Folgen. Die mag ich aber nicht beschreiben. Kann sich ja jeder selber vorstellen.
Mein Freund Claus aber, der ist gar nicht kreativ. Dafür kann er Folie besser auf Rahmen kleben als ich. So sehen zumindest zwei meiner zehn Fenster nicht aus als wären sie vom Verpackungskünstler Christo gestaltet worden.

Quelkhorn, Oktober 1993
Fischerhude/Quelkhorn

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